ADHS und Autismus im Arbeitsalltag

Arbeiten mit Neurodivergenz – von der Stellenausschreibung bis zum ersten Arbeitstag gibt es einige Dinge, die das Arbeiten für neurodivergente Personen einfacher machen. Gastautorin Nadine Rokstein, Expertin in eigener Sache, hat Tipps mitgebracht.

Junge Frau mit kurzen, blonden Haaren. Daneben Text: Gastbeitrag von Nadine Rokstein.

Arbeiten mit
Neurodivergenz

Als ADHSler:in und Autist:in bewegt man sich mit den Neurodivergenzen auf einem Spektrum. Auswirkungen und Herausforderungen können unterschiedlich sein. Dazu kommt, dass manche neurodivergente Personen gar nicht wissen, dass sie neurodivergent sind. Viele Menschen, vor allem weiblich sozialisierte Personen, sind oft undiagnostiziert und beherrschen Masking. 

Masking bedeutet: Bewusstes oder unbewusstes Unterdrücken neurodivergenter Verhaltensweisen und Anpassen an neurotypisches Verhalten.

Die Wahrscheinlichkeit eine neurodivergente Person im Team zu haben, ist sehr hoch. Ob diagnostiziert oder undiagnostiziert. 

Was bedeutet 
Neurodiversität?

Neurodiversität bezieht sich auf die neurokognitive Vielfalt. Ein einzelner Mensch ist nicht neurodivers. Neurodiversität bezieht sich auf eine Gruppe, die sich beispielsweise aus neurodivergenten und neurotypischen Menschen zusammensetzt.  Neurotypische Menschen entsprechen der neurologischen Norm, während neurodivergente Menschen neurokognitive Abweichungen besitzen. Ihre Wahrnehmung und Denkweise funktioniert anders. Hierzu gehören beispielsweise

  • Autismus-Spektrum-Störung
  • Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung  (ADHS)
  • Legasthenie
  • Tourette-Syndrom
  • Lern-Behinderung
  • Bipolare Störung
Eine lächelnde Frau hält zwei Schilder in die Höhe. Eines mit einem lächelnden Mund. Und eines mit einem traurigen Mund. Sie hält die Schilder neben ihr Gesicht.

Meine Arbeitsweise

Ich bin Autistin und ADHSlerin. Plötzliche Veränderungen in meinem Arbeitsablauf sind für mich sehr anstrengend. Dabei kann es sich um Veränderungen durch Personalwechsel handeln, die mir sehr schwer fallen, oder auch Veränderungen in meiner Struktur für den Tag. 

Grundsätzlich ist für mich eine feste Ansprechperson wichtig und dass ich mir Aufgaben schriftlich festhalten kann. Ich benötige eine genaue Beschreibung meiner Aufgaben. Ich notiere alles sehr genau, damit ich durch mein ADHS-Gehirn keinen Schritt vergesse und bitte auch Kolleg:innen drüber zu schauen, ob ich alle Schritte bedacht habe. 

Ich arbeite im Homeoffice mit Noise-Cancelling Kopfhörern. Reizüberflutungen durch öffentliche Verkehrsmittel und soziale Interaktionen haben mich lange Zeit überfordert.

Autismus und ADHS:
Herausforderungen in der Arbeit

Als blinde Autistin war es für mich beinahe unmöglich, während meines Studiums einen Nebenjob auszuüben. Ich erhielt ständig Absagen.

Nach einiger Zeit fand ich einen Beruf als Teilhabeberaterin für Menschen mit Behinderungen. Ideal war dies aber nicht: Jedes Beratungsgespräch sah unterschiedliche soziale Situationen vor. Dabei war die einzige Struktur, die ich mir selbst aufbaute: Zur selben Zeit zur Arbeit zu fahren und nach Hause zu fahren. Ebenso wie das Einlegen einer Pause, sofern kein Anruf dazwischen kam. Vor allem das Telefonieren war für mich eine Barriere, da ich am liebsten schriftliche Kommunikation habe. Jeder Tag war anders und ich wusste nie was mich erwartet. Ich habe den Beruf letztendlich aufgegeben.

Es gibt einige Möglichkeiten, den Berufsweg für neurodivergente Personen zu erleichtern. Das fängt bereits bei den Stellenausschreibungen an.

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Stellenausschreibungen 
und Vorstellungsgespräch
mit Neurodivergenz

Stellenausschreibungen sollten klar und deutlich formuliert werden und nicht durch gegensätzliche Aussagen irreführend sein. Ein entspanntes Arbeitsfeld steht für mich im Kontrast zu Flexibilität und Teamarbeit. So sind Ausflüge für mich auch kein Benefit. Auch zu viele Fachbegriffe können überfordern.

Wichtig sind für mich kurz und knapp Antworten auf die wichtigen Fragen zu bekommen:

  • Was sind die Aufgaben?
  • Ab wann wird gesucht?
  • Was habe ich davon, bei dem Unternehmen anzufangen?

Auf Humor, Ironie und bildhafte Sprache sollte dabei verzichtet werden.

Auch im Vorstellungsgespräch können Barrieren auftreten, wenn das Händeschütteln abgelehnt, die eigene Art als zu direkt empfunden wird oder Ironie oder Sarkasmus wie auch bildliche Sprache nicht verstanden werden. Ebenfalls ist der erste Eindruck entscheidend. Neurodivergente Menschen können eine andere Körpersprache und Mimik nutzen, was für neurotypische Menschen ungewöhnlich wirken kann.

Hilfsmittel für 
neurodivergente Menschen

Hilfsmittel, die möglicherweise individuell unterstützen können, sind:

  •           Noise-Cancelling-Kopfhörer
  •           Sichtblenden am Arbeitsplatz
  •           elektronischer Terminkalender mit Erinnerungsfunktion
  •           Kurzzeitmesser
  •           visuelle Kennzeichnung von Räumen und Gegenständen 
  •           Ruhezonen
  •           Normalisieren von Stimming
  •           Verzicht auf Leuchtstoffröhren
  •           Handy im Flugmodus (Erinnerungsfunktion aber keine Ablenkung durch Nachrichten)
Grüne Noise Cancelling Kopfhörer

Neurodivergente Mitarbeiter:innen 
und ihre Vorteile

Autist:innen legen häufig eine ehrliche und direkte Kommunikation an den Tag. Dies kann für die Problemlösung und Zusammenarbeit von Vorteil sein, da Probleme schneller angesprochen werden können und es direktes und ehrliches Feedback gibt. 

Durch ihre andere Wahrnehmung und Denkweise gelten neurodivergente Mitarbeiter:innen als besonders innovativ. Sie gehen Probleme anders an und bringen nicht nur einzigartige Problemlösungsansätze ein, sondern auch Ideen. Außerdem können Sie sich lange auf ein Thema ihres Interesses konzentrieren und dabei herausragende Ergebnisse erzielen.

ADHSler:innen sind oft sehr begeisterungsfähig und können andere Menschen mit ihrer Begeisterung anstecken. Dies kann innerhalb eines Teams motivierend sein. 

Sollte ich es 
dem Arbeitgeber sagen?

Ob man eine Autismus- oder ADHS Diagnose auch dem Arbeitgeber oder der Arbeitgeberin mitteilt, bleibt einem selbst überlassen. Es besteht keine Verpflichtung, dies zu tun. Ich habe mich dafür entschieden, um dafür zu sorgen, dass mir der Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt werden kann, den ich benötige, um zu arbeiten.

Junge Frau mit kurzen, blonden Haaren und Nasenring. Sie lächelt in die Kamera.

Über die Autorin

Nadine Rokstein wurde 1995 geboren, studierte Soziale Arbeit in Essen und  Journalismus an der freien Journalistenschule Berlin. Sie ist als Journalistin und Autorin aktiv und leistet auf Social Media Aufklärungsarbeit. Nadine berichtet über Barrierefreiheit auf Social Media, Diskriminierung und das Leben mit Behinderung und Neurodivergenz. Ihre Leidenschaft neben dem Schreiben gilt dem Modeln und Lesen.

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