Arbeitsmodelle für Menschen mit psychischen Erkrankungen
Flexible Kernarbeitszeit und existenzsichernde Teilzeitmodelle – Wie kann ein inklusiver Arbeitsmarkt für Menschen mit psychischen Erkrankungen aussehen? Über Möglichkeiten und Potenziale.
17 Prozent der Bevölkerung Deutschlands lebten laut einer Studie des RKI 2022 mit depressiven Symptomen. 39 Prozent der Menschen in Österreich waren 2020 laut Berufsverband Österreichischer Psychologinnen (BÖP) von psychischen Erkrankungen betroffen.[1] Für einen inklusiven Arbeitsmarkt ist es wichtig, Strukturen und Arbeitsbedingungen zu schaffen, die Personen mit psychischen Erkrankungen nicht ausschließen.
Denn Menschen mit psychischen Erkrankungen bringen wichtige Potenziale mit, von der ein inklusiver Arbeitsmarkt profitieren kann. „Diese Potenziale hat man wirtschaftlich noch nicht erkannt“, sagt Brigitte Heller vom Verein Lichterkette und Gründerin einer Betroffenenvertretung für Menschen mit psychischer Erkrankung und psychosozialer Behinderung im Podcast von dabei-austria.
In der Podcast-Folge geht es unter anderem um die Frage: Wie kann ein inklusiver Arbeitsmarkt für Menschen mit psychischen Erkrankungen aussehen? Diese Frage stellt sich auch Michael Diesner, DisAbility Recruiting Consultant bei myAbility, oft.
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Inklusive JobplattformArbeitsmodelle für Menschen mit psychischen Erkrankungen
Gerade in Zeiten des Fachkräftemangel ist es sinnvoll, vorhandenes Potenzial nicht unbeachtet zu lassen. Doch wie schaffen wir Arbeitsmodelle, in denen Menschen mit psychischen Erkrankungen gut arbeiten können?
Flexible Arbeitszeiten
Viele psychische Erkrankungen sind dynamisch, wie beispielsweise eine bipolare Erkrankung. Hier braucht es flexible Arbeitsmodelle, die ein schnelles Anpassen an die aktuellen Bedürfnisse ermöglichen.
Auch Patrick Berger, Leiter des „Chancen Nutzen“-Büros im Österreichischen Gewerkschaftsbund (ÖGB), ist in dem Podcast zu hören: „Solche Arbeitsmodelle gibt es am Arbeitsmarkt national und international bereits. Sie müssen nur eingesetzt werden. Das einfachste und was österreichweit schon am meisten in Verwendung ist, ist die Gleitzeit und die Verschiebung von Kernarbeitszeiten.“
Eine Kernarbeitszeit, die morgens beginnt und am frühen Nachmittag endet, ist für gewisse Erkrankungsbilder nicht sinnvoll. Wer beispielsweise aufgrund einer Depression morgens schwer aus dem Bett kommt, profitiert von einer individuellen Kernarbeitszeit am Nachmittag.
Eine weitere Möglichkeit ist das Einsetzen eines „Arbeitszeitpools“. Das bedeutet, dass eine gewisse Anzahl von Arbeitsstunden in einem festgelegten Zeitraum eingehalten werden muss, der:die Arbeitnehmer:in dabei aber nicht an fixe Arbeitszeiten gebunden ist. Der festgelegte Zeitraum kann individuell ausverhandelt werden. Davon profitieren vor allem Personen, die aufgrund ihrer Erkrankungen immer wieder für längere Zeiten ausfallen können.
„Und es braucht so einfache Fragen wie: Was brauchst du, um gut arbeiten zu können?“, betont Michael Diesner. So stellen wir sicher, dass Menschen mit psychischen Erkrankungen ihre Potenziale bestmöglich einsetzen können.
Existenzsichernde Teilzeitmodelle
Für manche Personen ist es behinderungsbedingt oder aufgrund einer Erkrankung nicht möglich, in Vollzeit zu arbeiten. Das bedeutet auch, dass diese Personen mit einem geringeren Gehalt auskommen müssen. Doch gerade für Menschen mit psychischen Erkrankungen entstehen oft Mehrkosten, weil sie beispielsweise Therapien aufgrund mangelnder kassenfinanzierter Plätze privat bezahlen müssen.
In solchen Fällen wäre ein finanzieller Ausgleich zur Existenzabsicherung wichtig, so Patrick Berger (ÖGB) im Podcast von dabei-austria. Das koste dem Staat zwar Geld, wäre im Vergleich zu den Kosten für Sozialhilfe, Arbeitslosengeld und Maßnahmen für arbeitslose Personen aber geringer, so Berger.
Persönliche Assistenz für Menschen mit psychischen Erkrankungen
Eine weitere Möglichkeit, Menschen mit psychischen Erkrankungen ein besseres und selbstbestimmtes Arbeiten zu ermöglichen, wäre die Persönliche Assistenz. Auf diese haben Menschen mit psychischen Erkrankungen aktuell aber keinen Zugriff.
„Weil man immer noch der Meinung ist, im Bereich der psychischen Erkrankungen bzw. psychosozialen Behinderungen gibt es nur Menschen, die völlig selbstbestimmt sind und Menschen, die völlig fremdbestimmt sind. Aber: Die größte Anzahl von Menschen mit psychischer Erkrankung liegt dazwischen.“, so Birgit Heller.
Potenziale erkennen – Aufgabe von Unternehmen und Betroffenen
Ideen gibt es viele – für deren Umsetzung müssen Unternehmen und Staat mitziehen. Doch auch Personen mit psychischen Erkrankungen haben Wirkungsmacht, wenn sie ihre eigenen Potenziale und Bedürfnisse anerkennen und kommunizieren, sagt Michael Diesner von myAbility. Sein Tipp: Sich darin üben, ehrlich zu sich selbst zu sein.
Diese Kommunikation hilft dabei, an gemeinsamen Lösungen mit Arbeitgeber:innen zu arbeiten. „Man fordert also nicht allein Maßnahmen für die psychische Gesundheit, sondern diese ist im Idealfall ein Resultat aus den Antworten auf die Frage „Was brauchst du um gut arbeiten zu können?“