Über Behinderung sprechen – aber wie?

Behinderung? Beeinträchtigung? Disability? Sprache schafft Realität und beeinflusst, wie wir auf die Welt blicken. Wie schaffen wir eine Sprache, in der Menschen mit Behinderungen als selbstverständlicher Teil unserer Gesellschaft gezeigt werden?

Dreich Sprechblasen. Eine mit Fragezeichen, eine mit Ausrufezeichen und eine mit Text: Behinderung? Beeinträchtigung? Disability?

Worte sind die „Kleidung unserer Gedanken“. Sie drücken unsere Werte, aber auch unsere Vorurteile aus. Uns ist wichtig: Keine Angst vor dem Wort „Behinderung“! „Behinderung“ ist eine neutrale Bezeichnung und wird vom Großteil der Menschen mit Behinderungen als Selbstbezeichnung verwendet. Es ist deswegen nicht notwendig, auf alternative Bezeichnung wie „Handicap“ oder „besondere Bedürfnisse“ auszuweichen. Mit solchen Umschreibungen wird unserer Ansicht nach das Stigma des Wortes „Behinderung“ reproduziert.

Nicht das Wort „Behinderung“ ist das Problem, sondern das, was sich die Gesellschaft darunter vorstellt.

Menschen mit Behinderungen oder Organisationen zum Thema Behinderung haben in Bezug auf die richtige Wortwahl zum Teil unterschiedliche Positionen. Wir bei myAbility setzen uns laufend mit inklusiver Kommunikation auseinander. Unsere Wortwahl wird im gemeinsamen Konsens der Mitarbeitenden, die zum Teil selbst eine Behinderung haben, entschieden.

Nicht auf Behinderung reduzieren


Wir wollen Behinderung als eines von vielen Merkmalen einer Person zeigen. Deswegen verzichten wir auf Ausdrücke wie „der/die Behinderte“, die Personen auf ihre Behinderungen reduzieren. Wir sprechen von Menschen mit Behinderungen, Jobsuchenden mit Behinderungen, Mitarbeiter:innen mit Behinderungen.

Ob Menschen „behindert sind“ oder „eine Behinderung haben“ wird in der Community von Menschen mit Behinderungen unterschiedlich gesehen. Manche entscheiden sich bewusst für die Selbstbezeichnung „behindert sein“ – mit der Begründung, dass ihre Erlebnisse als Person mit Behinderung einen zentralen Teil ihrer Identität ausmachen. Für andere ist es wichtig zu betonen, dass ihre Behinderung nur einer von vielen Aspekten ihrer Persönlichkeit ist. Sie bevorzugen die Bezeichnung „eine Behinderung haben“. Ob und wie identitätsstiftend eine Behinderung für eine Person ist, entscheiden betreffende Personen für sich selbst.

Weil wir von myAbility die vielfältigen Eigenschaften von Menschen mit Behinderungen in den Fokus rücken wollen, haben wir uns dazu entschieden, die Bezeichnung „eine Behinderung haben“ zu nutzen.

Wichtig: Sprache ist dynamisch. Sie drückt aktuelle gesellschaftliche Wertehaltungen aus und entwickelt sich ständig weiter. Am meisten lernen wir, indem wir miteinander sprechen und einander zuhören.

Warum wir manches so nicht sagen

Die Forderungen nach einem sensiblen Sprachgebrauch werden immer lauter und Ausdrücke, die früher gängig waren, werden heute abgelehnt. Wir möchten euch anhand einiger Beispiele zeigen, was hinter dem Wunsch nach einem neuen Stil in Sachen Sprache steckt.

Besondere Bedürfnisse

„Besondere Bedürfnisse“ ist ein Klassiker der nett gemeinten Alternativbezeichnungen für das Wort „Behinderung“. Das Problem: Diese Bezeichnung stellt Menschen mit Behinderungen als Personen dar, die sich in ihren Bedürfnissen grundsätzlich von nicht-behinderten Menschen unterscheiden. Das Bedürfnis nach Teilhabe an der Gesellschaft ist allerdings alles andere als besonders.

Krank oder gesund?

Behinderung ist keine Krankheit. Das Gegenteil von „behindert“ ist deswegen nicht „gesund“, sondern „nicht behindert“. Manche Behinderungen werden zwar durch Erkrankungen ausgelöst, doch behindert werden Menschen vor allem durch das Umfeld. Weil es zum Beispiel an Gebärdensprachdolmetschern fehlt, weil das Video keine Audio-Deskription hat oder weil das Geschäft nur über Treppen erreichbar ist. Diese Beispiele zeigen die soziale Dimension von Behinderung: Unsere Umwelt ist auf die Bedürfnisse von Menschen ohne Behinderungen ausgerichtet. Wenn wir über Behinderung sprechen, ist es wichtig, nicht nur medizinische Diagnosen zu beachten, sondern auch, wie gesellschaftliche Rahmenbedingungen und Inklusion zusammenhängen.

Sprache ist vielfältig

Unsere Sprache ist dafür da, miteinander in Kontakt treten zu können. Das geht über gesprochene Sprache, über Geschriebenes und über Gebärdensprache. Gebärdensprachen sind anerkannte Sprachen. Gehörlose Menschen, die über Gebärdensprache kommunizieren, sind also nicht „stumm“ oder „taubstumm“.

Für viele Menschen ist es wichtig, dass Sprache einfach verständlich ist. Einer Studie des OECD zufolge können 17 Prozent der erwachsenen Österreicher:innen keine schwierigen Texte verstehen. Das sind in etwa eine Million Personen. Eine komplizierte Sprache schließt diese Menschen aus.

„Nichts über uns ohne uns“

Es ist wichtig, sich Gedanken darüber zu machen, wie über Menschen mit Behinderungen gesprochen wird. Genauso wichtig ist es, Menschen mit Behinderungen für sich selbst sprechen zu lassen. „Nichts über uns ohne uns“ heißt: Wenn wir über Behinderung sprechen, fragen wir bei den Personen nach, die Expert:innen in eigener Sache sind.

Kurz zusammengefasst

  • Wir sagen „Menschen mit Behinderungen“
    Eine Behinderung definiert nicht den ganzen Menschen.
  • Wir sagen „eine Behinderung haben“
    „Ich bin nicht meine Behinderung, ich habe eine Behinderung.“
  • Beeinträchtigung
    Dieses Wort kommt aus den Disability Studies und bezieht sich auf die körperlichen Aspekte einer Behinderung. Dieses Wort wird oft verwendet und ist per se nicht falsch. Das Wort Behinderung bringt jedoch auch die soziale Dimension der Behinderung durch das Umfeld ein.
  • Disability
    Englische Begriffe werden gerne genutzt, um Texten eine gewisse Frische zu verleihen und Internationalität zu vermitteln. Das Problem: Fremdwörter machen Sprache kompliziert und so für viele nicht zugänglich. Deswegen ist es wichtig, verzichtbare Fremdwörter zu vermeiden.
  • Handicap
    Dieses Wort hat in seinem historischen Ursprung einen defizitorientierten Zugang zu Menschen mit Behinderungen. Es wird deswegen auch im Englischen nicht mehr für behinderte Menschen verwendet.
  • Normal sind wir alle
    Menschen mit Behinderungen haben keine „besonderen“ Bedürfnisse. Jeder Mensch möchte ohne Barrieren an der Gesellschaft teilhaben können. Menschen mit Behinderungen sind selbstverständlicher Teil unserer Gesellschaft.  „Behinderung“ ist nicht das Gegenteil von „normal“.

 

Die richtigen Worte finden – ein Leitfaden 

Wenn es um konkrete Ausdrücke und die Frage geht: „Kann ich das so sagen?“ haben wir einen Leitfaden erstellt. Hier kannst Du eine Auflistung an Worten und Ausdrücken herunterladen, die verletzen können - und passende Alternativen dazu. 

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